Samstag, 4. Februar 2012

Wenn ich über dich schreiben müsste

Wenn ich über dich schreiben müsste, und glaube mir, ich täte es ungern, was würde ich dann schreiben? Wäre es ein langer Text? Ich glaube nicht, ich könnte dir viel ins Gesicht schreien, aber es aufzuschreiben wäre mir die Mühe nicht wert. Es wäre also ein kurzer Text mit der Tendenz zu Haiku, vielleicht doch etwas länger aber doch immer mit dem Vorsatz, sich kurz zu fassen. Ich muss also Stopfen, und das bring das Paradox mit sich, dass Stopfen ja immer mit Anstrengungen verbunden ist, was ja doch wieder Mühe macht.

Wenn ich also kurzfassend und stopfend nicht zu lang und vor allem versucht mühelos über dich schreiben würde, was würde ich dann schreiben? Ich würde wohl nicht beleidigend werden, obwohl ich ausreichende Wut dafür hätte, aber das wäre würdelos. Ich müsste also versuchen meine Wut zurückzuhalten und sachlich zu bleiben. Auch das kann anstrengend sein.

Über dich zu schreiben erscheint mir schon jetzt alles andere als entspannend und ich habe noch nicht einmal angefangen. Wenn mich schon die Frage, was ich über dich schreiben würde, wenn ich über dich schreiben müsste, so anstrengt, wie soll es mir dann noch möglich sein, das ganze kurz zu fassen?

Ich stelle fest, dass ich über dich nicht schreiben möchte, aber das ist nicht gefragt, wenn man mir sagen würde, dass ich über dich schreiben müsste. Also schreibe ich widerwillig über dich, es nützt ja nichts. Und ich fasse mich endgültig kurz. Auf einem kleinen Zettel steht danach zu lesen:

„Wenn man mir sagen würde, dass ich über dich schreiben müsste, dann würde ich mir, nicht für dich, sondern für mich, Mühe geben, Würde zu bewahren. Ich würde deine Doppelmoral kritisieren, ich würde dir sagen, dass du selbstgefällig bist und Freundlichkeit, Aufrichtigkeit und Aufopferung nicht zu schätzen weißt. Ich würde dich fragen, ob du mit dir selbst im Reinen wärst, wenn du dich als Außenstehende beobachten könntest. Ich würde aber keine Antwort haben wollen. Und dann würde ich dich fragen, ob du nicht vielleicht die falschen Menschen von dir zu stoßen begonnen hast, aber auch darauf bitte keine Antwort. Und wenn ich dir etwas ganz direkt schreiben würde, dann wäre das: Du tust mir leid.“

Aber es war nie die Rede davon, dass ich dir geben müsste, was ich über dich geschrieben hätte, und das merkt auch der, der mich zwingt über dich zu Schreiben. Vertragsbruch kommt nicht in Frage, und so behalte ich all das am Ende doch für mich.



© Artwork by 'EvanWilman' (http://evanwilman.deviantart.com/)

1 Kommentar:

  1. Menschen, wie du sie gerade beschrieben hast, werden es leider meistens nie lernen. Sie sehen selber nicht, was sie anrichten und marschieren einfach so weiter durchs Leben als wäre alles in Ordnung. Das ist die traurige Tatsache dran und zeigt mal wieder wie arrogant der Mensch doch sein kann und wie von sich selbst überzeugt.

    Nun ja, schöner Beitrag. Dürfte der Person, wenn sie deisen liest und versteht, einen schönen Schlag in die Magengrube versetzen^^ Denn manchmal ist die Nichtbeachtung jene Summe kleiner Freunden, welche das Feindesbild überhaupt nicht erwartet hätte, da kein öffentlicher cholerischer Anfall wie Aufreger. Dazu erhebe ich mein Glas, brülle freudig "muha" und ziehe nun die Vorhänge zu. Adieu.

    :)

    juracid.

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