Mittwoch, 29. Februar 2012

Ich kann auch romantisch.

655321: "Eigentlich eher für mich, als für die Öffentlichkeit geschrieben, aber beim nochmal Lesen konnte ich mich nicht erwehren, es zu veröffentlichen..."


Bambi im Kriegsgebiet

Nur, weil die Welt aus den Fugen gerät, müssen wir noch lange nicht fallen.
Wir tanzen einen eng umschlungenen, romantischen Walzer, mitten im Moshpit des Lebens.

In einer Gasse in der Gosse spazierend, weil die Welt für dich ein friedlicher Ort ohne Gefahren ist, hast du mich gefunden. Es regnete, es war kalt. Eiskalt. Hast mich angesprochen und ich habe selten eine so freundliche Stimme gehört. Nahmst mich mit zu dir, hast aus mir wieder einen Menschen gemacht, und ich revanchiere immer, ob für nette, oder für nicht so nette Dinge. Ich vergesse nichts, was von Belang ist.

Seit dem versuche ich dich zu schützen, Bambi im Kriegsgebiet, und ich möchte Kugeln für dich abfangen, wenn es sein muss, im Kreuzfeuer baden. Manchmal wünsche ich mir, dass ein Zug auf dich zugerast kommt, nur um dich im letzten Moment wegzustoßen, mich für dich zu opfern und als dein Held zu sterben, manchmal wünsche ich aber auch, dass ich noch viele Jahre mit dir vor mir habe, ohne frühzeitig von dir zu gehen.

Meine Liebe ist nicht phlegmatisch, aber wo sie hinfällt, da bleibt sie gerne liegen. Du bist eine Insel mitten im Ozean des Unwohlseins, auf der man gerne liegen bleibt. Eine Oase in einer Wüste aus Alltäglichkeit und Stress.

Ich mag die meisten Menschen nicht, aber von allen Menschen mag ich dich am meisten. Du bist anders als die Anderen, allein schon, weil du liebst, dass ich anders bin als Andere.

Und wir gehen. Spazieren ab jetzt gemeinsam durch den Regen, durch die dunkelsten Gassen, und alles ist irgendwie in Ordnung, weil wir nicht allein gehen.


© Artwork by 'instantvoodo' (http://instantvoodo.deviantart.com/)

Die gar nicht traurige Geschichte mit dem Feuer

Die Hände hinter dem Kopf verbunden, die Schultern streckend, lege ich mich in den unbequemen Bürostuhl und schließe für einen Moment die Augen.
Der Rechner brummt leise vor sich hin und ich versuche zu entspannen.

Der Brandschutzsprinkler geht los, ich halt die Augen noch für wenige Momente geschlossen, werde nass, es kümmert mich nicht. Der Computer ist aus, der Bildschirm wirkt sehr ungesund mit seiner Schlieren aufzeigenden Oberfläche.

Der Alarm des Bürokomplexes zerstört letztendlich meinen Ruhezustand und lässt mich langsam von meinem Platz aufstehen. Nasse Haare fallen in Mein Gesicht, während ich meine Jacke über meine Schulter werfe und gelassen meine Bürokabine verlasse. Ein paar Mitarbeiterinnen rennen im Flur kreischend an mir vorbei, nervig. Ich schließe die Tür hinter mir ab, einfach so, ganz ruhig.

Auf dem Weg zum Treppenhaus stoßen unzählige Schultern gegen mich, alle drängen sich zum Fahrstuhl, auf dessen Türen deutlich lesbar „Aufzug im Brandfall nicht benutzen“ steht. Auch das „Max. 10 Personen“ wird gekonnt ignoriert.

Eine Hand an meiner Jacke, die andere in der Hosentasche, gehe ich die Treppen hinunter, 3 Stockwerke bis ins Erdgeschoss. Machbar. Auch hier treffe ich allerdings auf panisch herunterstolpernde Mitarbeiter des Konzerns.

Die Flüchtlinge pressen sich im Erdgeschoss durch die Drehtüren, die normale Tür daneben bekommt man aufgrund des Andrangs nicht mehr geöffnet, ich drehe um, nehme den Hinterausgang, einen Flur weiter weg. Aber immerhin ungestört und ohne Gedrängel.

Auf dem Sammelplatz vor dem Gebäude wird der Brand nun von allen in Augenschein genommen. Da fallen Sätze wie „Oh Gott, oh Gottohgott!“ oder „Die armen Kollegen!“.

„Die armen Kollegen“… Ich versteh’s nicht. Ausnahmslos jeder der Kollegen steht hier herum, was gibt es zu bemitleiden? Dass sie jetzt ein paar Tage beurlaubt werden, da ihr Arbeitsplatz dem eines Pyrotechnikers Konkurrenz macht?

Als der strahlend rote Feuerwehrwagen auf den Vorhof einzufahren gedenkt, dauert es einige Sekunden, bis die gaffende Masse sich dazu überwindet, Platz für das Löschfahrzeug zu machen. Da gilt Spannung vor Sicherheit, könnte ja sein, dass doch noch ein auf der Toilette eingesperrter Kollege den Freitod wählt, da ihm die Situation ausweglos erscheint. Und so ein Feuer ist ja auch was Spannendes, die Entdeckung des Feuers liegt schließlich nur wenige Jahre zurück, es verliert einfach nicht an Reiz.

Als die Männer die Flammen gelöscht haben und das schwarz rauchende Stockwerk deutlich mitgenommen erscheint, werden noch letzte Fotos mit den Smartphones gemacht, ehe der Leiter der Region unseres Arbeitsplatzes den Durchruf macht, dass für heute sämtliche Arbeiten eingestellt sind. Man solle sich daheim vom Schock erholen. „Vom Schock“.

Vollkommen ‚schockiert’ steige ich in meinen Wagen, die White Stripes massieren mein schockiertes Trommelfell und meine traumatisierte Seele. Ich fühle mich entspannt, beruhigt. „Eigentlich ein okayer Tag“, bemerke ich, mit mir selbst sprechend.

„Ist die Abteilungsabrechnung fertig, Herr Rieger?“ fragt mich die gereizte Stimme meines Vorgesetzten. Es dauert einen Moment, ehe ich realisiere, warum sein Gemütszustand so negativ erregt wirkt. Ich unterbreche den Bildschirmschoner des leise brummenden Rechners mit einer Mausbewegung. „Bin so gut wie fertig, in einer halben Stunde haben sie’s auf ihrem Tisch…“


© Artwork by 'billyunderscorebwa' (http://billyunderscorebwa.deviantart.com/)

Samstag, 4. Februar 2012

Wenn ich über dich schreiben müsste

Wenn ich über dich schreiben müsste, und glaube mir, ich täte es ungern, was würde ich dann schreiben? Wäre es ein langer Text? Ich glaube nicht, ich könnte dir viel ins Gesicht schreien, aber es aufzuschreiben wäre mir die Mühe nicht wert. Es wäre also ein kurzer Text mit der Tendenz zu Haiku, vielleicht doch etwas länger aber doch immer mit dem Vorsatz, sich kurz zu fassen. Ich muss also Stopfen, und das bring das Paradox mit sich, dass Stopfen ja immer mit Anstrengungen verbunden ist, was ja doch wieder Mühe macht.

Wenn ich also kurzfassend und stopfend nicht zu lang und vor allem versucht mühelos über dich schreiben würde, was würde ich dann schreiben? Ich würde wohl nicht beleidigend werden, obwohl ich ausreichende Wut dafür hätte, aber das wäre würdelos. Ich müsste also versuchen meine Wut zurückzuhalten und sachlich zu bleiben. Auch das kann anstrengend sein.

Über dich zu schreiben erscheint mir schon jetzt alles andere als entspannend und ich habe noch nicht einmal angefangen. Wenn mich schon die Frage, was ich über dich schreiben würde, wenn ich über dich schreiben müsste, so anstrengt, wie soll es mir dann noch möglich sein, das ganze kurz zu fassen?

Ich stelle fest, dass ich über dich nicht schreiben möchte, aber das ist nicht gefragt, wenn man mir sagen würde, dass ich über dich schreiben müsste. Also schreibe ich widerwillig über dich, es nützt ja nichts. Und ich fasse mich endgültig kurz. Auf einem kleinen Zettel steht danach zu lesen:

„Wenn man mir sagen würde, dass ich über dich schreiben müsste, dann würde ich mir, nicht für dich, sondern für mich, Mühe geben, Würde zu bewahren. Ich würde deine Doppelmoral kritisieren, ich würde dir sagen, dass du selbstgefällig bist und Freundlichkeit, Aufrichtigkeit und Aufopferung nicht zu schätzen weißt. Ich würde dich fragen, ob du mit dir selbst im Reinen wärst, wenn du dich als Außenstehende beobachten könntest. Ich würde aber keine Antwort haben wollen. Und dann würde ich dich fragen, ob du nicht vielleicht die falschen Menschen von dir zu stoßen begonnen hast, aber auch darauf bitte keine Antwort. Und wenn ich dir etwas ganz direkt schreiben würde, dann wäre das: Du tust mir leid.“

Aber es war nie die Rede davon, dass ich dir geben müsste, was ich über dich geschrieben hätte, und das merkt auch der, der mich zwingt über dich zu Schreiben. Vertragsbruch kommt nicht in Frage, und so behalte ich all das am Ende doch für mich.



© Artwork by 'EvanWilman' (http://evanwilman.deviantart.com/)