Mittwoch, 29. Februar 2012

Die gar nicht traurige Geschichte mit dem Feuer

Die Hände hinter dem Kopf verbunden, die Schultern streckend, lege ich mich in den unbequemen Bürostuhl und schließe für einen Moment die Augen.
Der Rechner brummt leise vor sich hin und ich versuche zu entspannen.

Der Brandschutzsprinkler geht los, ich halt die Augen noch für wenige Momente geschlossen, werde nass, es kümmert mich nicht. Der Computer ist aus, der Bildschirm wirkt sehr ungesund mit seiner Schlieren aufzeigenden Oberfläche.

Der Alarm des Bürokomplexes zerstört letztendlich meinen Ruhezustand und lässt mich langsam von meinem Platz aufstehen. Nasse Haare fallen in Mein Gesicht, während ich meine Jacke über meine Schulter werfe und gelassen meine Bürokabine verlasse. Ein paar Mitarbeiterinnen rennen im Flur kreischend an mir vorbei, nervig. Ich schließe die Tür hinter mir ab, einfach so, ganz ruhig.

Auf dem Weg zum Treppenhaus stoßen unzählige Schultern gegen mich, alle drängen sich zum Fahrstuhl, auf dessen Türen deutlich lesbar „Aufzug im Brandfall nicht benutzen“ steht. Auch das „Max. 10 Personen“ wird gekonnt ignoriert.

Eine Hand an meiner Jacke, die andere in der Hosentasche, gehe ich die Treppen hinunter, 3 Stockwerke bis ins Erdgeschoss. Machbar. Auch hier treffe ich allerdings auf panisch herunterstolpernde Mitarbeiter des Konzerns.

Die Flüchtlinge pressen sich im Erdgeschoss durch die Drehtüren, die normale Tür daneben bekommt man aufgrund des Andrangs nicht mehr geöffnet, ich drehe um, nehme den Hinterausgang, einen Flur weiter weg. Aber immerhin ungestört und ohne Gedrängel.

Auf dem Sammelplatz vor dem Gebäude wird der Brand nun von allen in Augenschein genommen. Da fallen Sätze wie „Oh Gott, oh Gottohgott!“ oder „Die armen Kollegen!“.

„Die armen Kollegen“… Ich versteh’s nicht. Ausnahmslos jeder der Kollegen steht hier herum, was gibt es zu bemitleiden? Dass sie jetzt ein paar Tage beurlaubt werden, da ihr Arbeitsplatz dem eines Pyrotechnikers Konkurrenz macht?

Als der strahlend rote Feuerwehrwagen auf den Vorhof einzufahren gedenkt, dauert es einige Sekunden, bis die gaffende Masse sich dazu überwindet, Platz für das Löschfahrzeug zu machen. Da gilt Spannung vor Sicherheit, könnte ja sein, dass doch noch ein auf der Toilette eingesperrter Kollege den Freitod wählt, da ihm die Situation ausweglos erscheint. Und so ein Feuer ist ja auch was Spannendes, die Entdeckung des Feuers liegt schließlich nur wenige Jahre zurück, es verliert einfach nicht an Reiz.

Als die Männer die Flammen gelöscht haben und das schwarz rauchende Stockwerk deutlich mitgenommen erscheint, werden noch letzte Fotos mit den Smartphones gemacht, ehe der Leiter der Region unseres Arbeitsplatzes den Durchruf macht, dass für heute sämtliche Arbeiten eingestellt sind. Man solle sich daheim vom Schock erholen. „Vom Schock“.

Vollkommen ‚schockiert’ steige ich in meinen Wagen, die White Stripes massieren mein schockiertes Trommelfell und meine traumatisierte Seele. Ich fühle mich entspannt, beruhigt. „Eigentlich ein okayer Tag“, bemerke ich, mit mir selbst sprechend.

„Ist die Abteilungsabrechnung fertig, Herr Rieger?“ fragt mich die gereizte Stimme meines Vorgesetzten. Es dauert einen Moment, ehe ich realisiere, warum sein Gemütszustand so negativ erregt wirkt. Ich unterbreche den Bildschirmschoner des leise brummenden Rechners mit einer Mausbewegung. „Bin so gut wie fertig, in einer halben Stunde haben sie’s auf ihrem Tisch…“


© Artwork by 'billyunderscorebwa' (http://billyunderscorebwa.deviantart.com/)

2 Kommentare:

  1. Deine Art und Weise wie du Kritik an der Nadelstreifengesellschaft äußerst und da auch deine pesönliche Situation (wenn man dich kennt) mit einbringst, finde ich sehr gelungen. Einer deiner besten Einträge, ganz klar. Die längere Wartezeit und das tägiche (Arbeits)leben waren wohl inspirierend? ^___^

    Alles Gute für dich ;)

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  2. Gefällt mir auch :) Ich mag die Wendung am Ende sehr. Vorallem da sie sehr überraschend kam und nicht so vorhersehbar ^^
    *rosa Lutschbonbon*

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