Samstag, 2. Januar 2021

MMXX

 „Alle werden auf einmal so erwachsen
und erwarten dasselbe von mir
und vielleicht sollte ich das auch langsam mal.
Vielleicht sollte ich nicht mehr so derbe irritiert sein,
wenn mich jemand auf der Straße mal siezt.
Vielleicht. Verändert hat sich bei mir ja
eigentlich nichts in all den Jahren.
Eigentlich bin ich immer noch so.

eou – „Immernochso“

 

Siebzehn seit zweitausendsieben und irgendwie dort hängengeblieben. Bis heute keinen Anzug im Kleiderschrank, warum auch? Bisher hätte die Anschaffung kein Anlass gerechtfertigt. Aus der S-Größe herausgewachsen, aber die Wut steht mir immer noch wie damals, sie kaschiert die Trauer so gut. Vor jedem Wort muss nach wie vor die Playlist stimmen, sonst bleibt es beim Blank Space und ehrlich gesagt ist es mir auch gar nicht so wichtig, ob man das nun groß oder klein schreibt.

Alles in allem ist es wie mit einer neuen Staffel Black Mirror: Du weißt nie, wann sie kommt, kaum einen juckt’s, und die, die darauf warten, sind im Nachhinein entweder enttäuscht oder wieder ein wenig deprimierter als vorher. 4/5, gerne wieder, Lieferung war aber zu langsam.

Was ist zwischenzeitlich passiert? Ein Jahr. Überrascht?
„Staustufe rot – nichts geht mehr“ ist ein schlechter Witz dagegen. Fast-forward während des Totalstillstandes. 24/7 HVDR und dennoch weicht der Montag dem Mittwoch. Dazwischen: Chefkoch.de und Tinder. Erkenntnisse aus beidem gezogen. 50% davon kann ich weiterempfehlen.
Darüber hinaus: Manche Beziehungen überleben die Krise, die anderen waren schon vorher metastasenzerfressen.

Und jetzt? Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, aber das Licht am Ende des Tunnels blendet zunehmend die Dämonen. Gib mir zweieinhalb Jahre und ich bin entweder tot, unverändert oder zufrieden. Wenn Jörg Draeger zwischenzeitlich eine weniger wünschenswerte Option wegrationalisiert sind wir am Ende bei einer Erfolgschance von 66%, kannst du mir jetzt glauben oder eben nicht, aber irgendetwas hat es eben doch gebracht, die Vorlesungszeiten mit Wikipedia zu substituieren.

Vor fast 11 Jahren habe ich hier zum ersten Mal meine Unzufriedenheit in die allumfassenden Wellen des Internets gekotzt. Was haben wir gelernt? Bulimie ist ein Symptom, die Ursache ist unscheinbar und sesshaft. Was ist besser geworden? Ich. Dufter Typ, ahnbar, humorvoll, klug, beschissenes Volumen an Eigenkapital. Was ist schlechter geworden? Chris Roberts hat mal „du kannst nicht immer 17 sein“ gesungen. Abgesehen davon, dass Chris Roberts auf den bürgerlichen Namen Christian Franz Klusáček hörte und sich damit zu den Hundesöhnen gesellt, die den Ü60-Geborenen mit einem kessen Künstlernamen Herz und Magen verdreht haben, hatte er bezüglich dieses Sachverhaltes durchaus einen Punkt.
In Sachen Pro und Contra bleibt dennoch festzustellen: Ob nun halb voll oder halb leer, ich habe ein Glas. (Die Kleptomanie ist zwar zu größten Teilen seit einem Vorfall auf der Buchmesse vor 6 Jahren vorüber, dennoch stammt diese Weisheit – wie so viele von mir oftmals zitierte – nicht von mir: https://www.charliemackesy.com/)

Und was ist das hier nun eigentlich? Legst du überhaupt noch Wert auf hochkarätige Literatur?
+++Antwort 1 wird Sie überraschen!!!+++
Nein.
Endlich nicht mehr. Der Anspruch an mich erwies sich als die Handbremse jeglicher Kreativität. Nichts muss perfekt sein. Nichts muss umwerfend sein. Alles muss ehrlich sein. Und Ehrlichkeit darf weh tun. Am Ende laufen sie nicht deswegen weg, weil du gelogen hast, sondern weil sie nicht ertragen haben, wie ehrlich du warst.

Und dann lese ich, womit alles begonnen hat und erkenne mich selbst nicht wieder.
Angst: I am the Danger!
Hoffnung: https://markmanson.net/books/everything-is-fucked

Aber dennoch: Chapeau an dich, 2010-Ich! Ohne dich wäre da jetzt kein Licht. Gut gemacht, Schwein!
Aber Schmerz beiseite: Du bist okay. Weit weg von perfekt – wie wir alle – aber du bist okay, machst deine Fehler, deine Erfahrungen, bereust, was du bereuen solltest und findest immer wieder – hier und da – Menschen, die dir irgendwann glaubhaft machen werden, dass du in Ordnung bist, bleib dran, hab Geduld, gib dir ungefähr zehn Jahre und du wirst verstehen, wovon ich rede. Verluste gehören dazu, auch die, die du nicht reparieren kannst, aber komm nicht auf die Idee, wütend auf dich zu sein. Du. Bist. Okay. Und am Ende des Tages für immer 17.

Und jetzt?

Weitermachen.
Endspurt.
Frag mich in einem Jahr nochmal.
Frag mich in drei Jahren nochmal.
Wenn ich nicht antworte, hast du deine Antwort.
Wenn ich antworte, hast du deine Antwort.
Long story short: Der Swan Song ist noch nicht geschrieben, und so lange es dabei bleibt ist das letzte Kapitel nicht geschrieben.


Picture taken from http://www.drinksanytime.com/drinking-games-7-11-doubles/

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