Montag, 12. August 2013

Die WG - Montag

Micha.

6:30 Uhr. Mein Handy klingelt. Der Versuch ein Lied zu finden, welches ich als Weckton akzeptiere ist wieder einmal gescheitert. Die Liste meiner Lieblingslieder dezimiert sich rapide. Es ist, als würde man am APPD-Stammtisch einen sympathisch anmutenden neuen Gast mitbringen und im schönsten aller abendlichen Momente laut verkünden, dass er der braunen Brut angehört und nur hier ist, weil die Getränke so günstig sind. Spontan hasst man das, was vorher noch so sympathisch wirkte.
In Darren Aronofskys „Pi“  sagt Max Cohen immer ganz cool „Ich drücke auf Return“. Mit genau dieser Coolness und einer gehörigen Portion ‚Der frühe Wurm wird gefressen‘ drücke ich auf die touchscreendigitale Snooze-Fläche.

6:35 Uhr. Meine eigene Genialität schlägt mir ein Schnippchen. Der Wecker des Festnetztelefones in meinem Zimmer gibt dröhnend eine schrille Monomelodie von sich. Dummerweise steht das Gerät in einer mit minimalem Bewegungsaufwand nicht zu erreichenden Ecke meines Zimmers. Hausschuh #1 verfehlt sein Ziel. Hausschuh #2 ist wie immer nicht auffindbar.
Ich stehe auf. Ich kapituliere. Mein Genie hat mich besiegt.
6:40 Uhr. Ich stehe im Badezimmer vor dem Spiegel und putze meine Zähne um mein funkelndes Lächeln aufrechtzuerhalten bzw. zu retten was zu retten ist. Die Snooze-Funktion des Handys meldet sich zu Wort. Ich hasse es, wenn so was passiert.  Zurück in mein Zimmer gehen ist keine Option, das sind mindestens 5 Meter. Diesem blöden 15-Sekunden-Klingelton-Schnipsel in unendlicher Wiederholung halte ich aber genauso wenig  stand. Glücklicherweise erscheint mein Retter auf der Bildfläche. Wie ich ihn kenne und liebe, hat er auch gleich ein paar tagverschönernde Worte dabei, die er aus seinen Lippen fallen lässt.

„Bist du behindert, man?“ -ist das ein Lächeln oder ist das Wahnsinn, was sein Gesicht da formt?-  „Ich kann bis Zehn pennen, du Penner!“
„Offensichtlich nicht.“ Erdreiste ich mich zu erwidern.
„Alter, mach die Scheiße aus“ reagiert er freundlich.
„Sei so freundlich und kümmere dich darum, ja? Ich verspreche dir, keine weiteren Belästigungen, bin dann auch gleich weg.“
„Fick dich.“ Antwortet er freundlich akzeptierend, betritt mein Zimmer, verursacht ein Geräusch, welches nach Hoffnung auf Garantiefall klingt und geht wieder in sein Zimmer.

Ich betrete die Dusche und versuche aus den Unmengen leerer Duschbadverpackungen eine herauszufischen, welche noch einen rudimentären Inhalt in sich birgt. Irgendjemand muss hier dringend mal aufräumen und aussortieren. Vielleicht ist Erik ja so lieb, wenn er irgendwann einmal aus seinem Schlummer erwacht.

7 Uhr. Ich verlasse die Dusche, dann mein Adamskostüm und anschließend die Wohnung. Trotz meiner 22 Jahre bin ich auf dem Weg zur Schule. Nicht jeder macht sein Abitur auf dem geraden Weg.


Rabe.

„Sechsuhrvierzigduhurensohn“ sind meine Worte, bevor ich mich, nun den ersten Frust von mir gegeben beruhigt mit „Bist du behindert, man?“ zu gebären weiß.
Mein Mitbewohner beherrscht die Kunst, von mir gemocht, wobei... geduldet zu werden und mir trotzdem regelmäßig maximal auf die Nerven zu gehen. Die Nacht war lang. Dummerweise war der anschließende Schlaf euphemistisch gesagt kurz. Ich bin nicht Student geworden um weniger als 9 Stunden Schlaf am Tag zu haben.

Ich verfolge seinem Wunsch, für ein stillschweigendes Smartphone zu sorgen. Aufgrund der methodenoffenen Bitte ist immerhin für kreative Frustbekämpfung gesorgt. Die halbleere Club-Mate-Flasche gewinnt dein Zweikampf mit dem Display problemlos. Der Inhalt der ehemals halbleeren Flasche gewinnt wiederum den Zweikampf mit dem Inhalt des Smartphonerestes. Ruhe herrscht. Ich gehe zuerst in mein Zimmer, dann in mein Bett. Als ich dabei am Bad vorbeikomme gebe ich noch ein kurzes „Du Penner, ey!“  von mir. Meine Mutter hat mir beigebracht, stets so was wie gute Nacht zu sagen, der Anstand verlangt es.


Erik.

„Fünfzehnuhrduhurensohn“. Der MP3-Wecker fliegt schon wieder gegen die Wand. Sein vorletzter Flug. Der nächste geht Richtung Plastemüll. „Ups.“
Aufstehen ist nie geil. Da hilft auch keine selbst eingespeiste Musik und sei sie noch so gut.
Erstmal an den Rechner. Ich erwische mich dabei, dasselbe Lied anzumachen, welches eben noch das Todesurteil meines Weckers war.‘ Jimmy Eat World‘ säuseln mir ‚Lucky Denver Mint‘ in meine müden Ohren. Diese Band löst immer wieder eine gewisse Sentimentalität in mir aus. Ich bekomme Mitleid mit meinem Wecker. Vielleicht liegt das aber auch nur an seinen Kaufpreis, welches sich wirklich sehen lassen konnte. Vielleicht kann ich das ja irgendwie als Garantiefall durchgehen lassen, überlege ich, und versuche die Einzelteile aufzusammeln.

Nachdem ich vor kurzem nach dem einen oder anderen Anlauf meine Lehre abschloss, habe ich mir nun vorgenommen, mir erst mal einen Minijob zu suchen. Man soll es ja, gerade in jungen Jahren, mit der Arbeit nicht übertreiben. Gut Ding will ja auch weile haben und der Neider sieht den Garten nur, den Spaten sieht er nicht!

Diese und weitere Phrasen schwirren durch meinen Kopf und ehe ich mich versehe kommt mein lieber Herr Mitbewohner von der Schule. „Schon so spät?“ frage ich verwundert. „Guten… Morgen?“ fragt er vorsichtig. „Es ist 5 durch, jetzt erst aufgestanden?“. Ich blicke leicht schockiert auf die Uhr meines Desktops. „Nö, schon seit 3 wach!“ kontere ich lächelnd. „Oh, doch schon? Was macht die Jobsuche?“ fragt er mit einem Gesichtsausdruck der sich zwischen herausfordernd und grinsend aufhält. „Läuft!“ antworte ich, während meine Finger intuitiv nach der Windows- und der D-Taste suchen. „Sehr gut, bin dann mal drüben, ja?“ sagt er und geht in sein Zimmer.

Die letzten 2 Stunden vergingen zu einem Lied in Dauerschleife, ohne dass ich etwas aktiv davon verarbeitete. Jetzt im Netz nach Minijobs zu suchen wäre ein weiterer Schritt zur Verschwendung eines Tages. Nicht mit mir, Staat der sich für dich und deine miesen Vorstellungen von sozialen Nutzen verbiegenden Gummimänner! Ich klopfe an der Zimmertür meines Mitbewohners an und sage: „bin mal unterwegs“ und die Tür antwortet: „hmhm jaja“. Redundante Artikulation, diese Türen haben einfach keine Ahnung von simpelster Informatik…

Auch ich verlasse dann die Wohnung, allerdings zielloser als meine beiden Mitbewohner. Beides hat seine Vorteile, beides hat seine Nachteile. Ich habe meine Kippen vergessen.  




© Artwork by 'theRockSteady' (http://therocksteady.deviantart.com/)

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