Montag, 24. Oktober 2011

Vollkommen unvollkommen verkommen

Auf meinen Profilen in den sozialen Netzwerken schreiben mir Menschen, die mich das letzte Mal vor ziemlich genau 365 Tagen kontaktiert haben. Entweder zwingt sie ihr Gewissen, oder sie haben zu großen Respekt vor der Autorität ihrer Geburtstagserinnerungsfunktion.

Seit einigen Stunden habe ich keinen gültigen Personalausweis mehr, und weil ich es schon fast spannend finde, was passiert, wenn darauf irgendwer aufmerksam wird, habe ich auch nicht vor mir einen aktuellen Ausweis ausstellen zu lassen.

Zum ersten Mal in meinem Leben sind wirklich alle Gäste da, die ich eingeladen habe. Sogar mein Wunsch, bitte keinen Kuchen oder anderes Zeug zu bekommen, dass ich ohnehin nicht verwerten kann, wurde von allen Anwesenden respektiert.

Man hört Musik, gerade zum Beispiel Lawrence, trinkt Club-Mate weil das Kult ist und wir verkrümeln fettige Kartoffelerzeugnisse auf meiner Couch bei dem kläglichen Versuch, ausnahmsweise einmal Chips verlustfrei zu essen. Hat noch nie so wirklich funktioniert.

Keiner stört sich daran, dass wir keine Gesellschaftsspiele oder ähnliches brauchen, um den Tag okay zu finden, manchmal liest sogar einer ein Buch oder tanzt für sich alleine zu Musik, zu der wohl kein anderer als er tanzen würde.

Manchmal vibriert mein Handy und Leute. Die Leute nicht anwesend sind, schreiben mir ihre Glückwünsche, selbstverständlich auf mindestens 160 Zeichen gekürzt, so viel Geiz muss sein!
Auch per SMS schreiben mir Menschen, die sonst keinen Kontakt mit mir pflegen, ihre gewissensberuhigenden Freundlichkeiten.

Während ich bemerke, dass Lawrence‘ Lied „fifteen minutes with you“ nur 5 Minuten und 58 Sekunden lang ist, stelle ich mit einem Blick in den Raum fest, dass eine Person, die zwar nicht eingeladen aber durchaus erwünschst ist, deutlich durch ihre Abwesenheit auffällt was mir ziemlich missfällt. Das macht den ganzen Tag sehr unvollkommen.

Ich beschließe, dass die Couch gerade zu frei ist, um glücklich über die Erfüllung ihrer Lebensaufgabe zu sein, also verhelfe ich ihr zur Zufriedenheit und nehme die gesamte Liegefläche ein, wird schon keinen stören. Während die Platte, die gute Platte, dank der endlosen Repeatfunktion mit ihren eventuell auftretenden Schwindelanfällen leben muss, genieße ich das, was sich auf ihr befindet, gute Musik nämlich.

Bis auf dich ist heute wirklich jeder hier, den ich hier haben möchte, und während ich mit einem Blick auf den leeren Raum meine Flasche zum Mund führe, proste ich mir noch leise zu, trinke dann einen Schluck und schließe einfach die Augen. Happy Birthday.


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