Freitag, 4. März 2016

Du und die Worte fehlen

Ich höre beim Schreiben immer Musik und ich würde jetzt eigentlich gern das Lied hören, das mich nun für immer an dich denken lässt, aber mit feuchten Augen schreibt es sich so schlecht.  Um ehrlich zu sein habe ich das Lied, nach dem Tag, an dem ich es das erste Mal hörte, wenn auch an diesem einen Tag noch sehr oft, anschließend nur noch einmal gehört.  Keine Sorge, die Wirkung war, auch Monate später, immer noch dieselbe.

Mir fehlen noch immer die Worte, auch wenn die Wut dem Versuch zu verstehen gewichen ist. Das soll keine Entschuldigung, eher eine Erklärung dafür sein, dass ich fast ein halbes Jahr brauche, um das hier zu schreiben.

Der Plan war, noch ewig weiter mit dir das Chaos anzustellen, für das wir in Kombination berühmt waren, seit wir etwa 15 waren. Mir war auch egal, dass es seltener wurde, seit uns einige Kilometer mehr als früher trennten, denn wenn wir aufeinander trafen war es, als hätten wir keine Sekunde ohne einander verbracht. Da war blindes Verstehen, so als wärst du der Bruder gewesen, der mir immer verwehrt geblieben ist.

Du warst bereits auf der imaginären Gästeliste für meine eventuelle Hochzeit mit wem auch immer, genau so sehr wie du am Abend meiner noch viel eventuelleren Scheidung mit mir in einer heruntergekommenen Bar gesessen hättest, wie wir es gern taten, wenn ich dich besuchte.  Aber nicht nur das, nein, du warst fester Bestandteil meiner gesamten weiteren Lebensplanung.

In unserem Alter hat man nicht zu gehen, dafür sind alte Menschen da, alte, kranke Menschen, deren Gehen sich über Monate ankündigt. Du warst nicht alt, du bist jünger als ich, keine 25 waren es, und ich habe immer noch keine Ahnung, wie Worte dem gerecht werden sollen, was ich seitdem fühle, ich bin nicht zufrieden  mit meinem Versuch, aber noch länger warten, mich endlich zu äußern, kann ich auch nicht.

In vielen meiner Texte hast du immer wieder eine Rolle gespielt und es ist furchtbar, dass das genau so abrupt aufhört, wie die Möglichkeit, mir dir zu reden, zu lachen, zu diskutieren, zu lästern, all das zu tun, was wir immer taten, seitdem wir uns kannten.  Ich vermisse sogar deine Unfähigkeit, gegen mich zu verlieren, wenn wir spielten, deine Uneinsichtigkeit, wenn ich Recht hatte und deine unzähligen Versuche, mich von Serien und Filmen zu überzeugen, an denen ich, oft zu Unrecht, kein Interesse zeigte. Ich vermisse alles an dir. Ich habe dich geliebt. Ich tu’s immer noch und ich werde es immer tun. 

Ich wünschte, meine Freundschaft mit dir wäre ausreichend gewesen, um dich hier zu behalten. Offenbar sagt man sich aber eben trotz einer so innigen Beziehung wie wir sie hatten nicht alles, vielleicht war es dafür aber auch einfach schon zu spät. Ich habe es mit Schuld- und Wutzuweisungen versucht, beides hat nicht geholfen. Wut und Schuld füllen nicht, was dein Verlust aufgerissen hat.

Das alles hier ist noch kürzer, als ich befürchtet habe, aber ich bin mir sicher, du verstehst, warum. Ich schaue oft zu dem Bild von dir an meiner Wand, von dem du mich anlächelst und zu dem ich dir einen melancholischen Blick zurückwerfe, wenn ich an dich oder etwas denke, von dem ich sicher bin, das wir darüber gelacht hätten, ich klammere mich einfach an den Gedanken fest, dass du vielleicht, auch wenn ich nicht an so etwas glaube, doch von irgendwo auf mich herabschaust und lächelst. Ich möchte nicht kindisch sein, aber eine schöne Vorstellung ist es allemal.

All das zu begreifen und damit zu leben wird wohl noch sehr lange dauern. Ich hasse mich ein wenig dafür, dass diese viel zu wenigen Worte nicht die Qualität innehaben, die ich für dich gern geben würde, aber ich hoffe der Grund dafür  ist nachvollziehbar.

Ich schwöre, ich komme dich besuchen sobald ich kann, vielleicht bringe ich auch das Lied mit. Ich möchte weinen, wenn ich bei dir bin, eigentlich möchte ich immer weinen, wenn ich an dich denke, mir ist, als sei es das Mindeste, was ich tun kann, um dir zu zeigen was du mir bedeutet hast.

ich wünschte diese Geschichte, die keine ist, hätte ein Happy End, wie es alle hatten, in denen du vorkamst, wie es jeder Tag hatte, den ich mit dir verbringen durfte.  Ich werde dich nie vergessen, das, verspreche ich dir. Du warst der Beste, danke für 10 wundervolle Jahre, die ich mit dir verbringen durfte. Wenn ich eines Tages nachkomme, werde ich zuerst nach dir fragen und ich bin mir sicher, darüber würdest du wieder so wunderbar liebevoll-verschämt lächeln, wie es nur du konntest.


Ich liebe dich und ich vermisse dich, und was mir von dir geblieben ist werde ich hüten wie einen Schatz.

Ich habe das Lied am Ende doch noch gehört. Meine Augen sind noch ziemlich rot, aber die Erinnerungen, die es in mir weckt sind es wert.

Bis ich endlich bei dir bin wirst du immer bei mir sein.

Auf Wiedersehen geliebter Freund, goodbye „Harvey“.




© Artwork by '00AngelicDevil00' (http://00angelicdevil00.deviantart.com/)

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